Einleitung: Die Bedeutung lokaler Akzeptanz für die Energiewende

Die Energiewende in Deutschland stellt eine der größten gesellschaftlichen Transformationsprozesse der jüngeren Geschichte dar. Der Ausbau der Windenergie spielt dabei eine zentrale Rolle. Trotz grundsätzlich hoher Zustimmungswerte für erneuerbare Energien in der Bevölkerung stößt die konkrete Umsetzung von Windparkprojekten vor Ort oft auf Widerstände. Es zeigt sich ein klassisches NIMBY-Phänomen (Not In My Backyard): Erneuerbare Energien ja – aber nicht in meiner Nachbarschaft.

Eine der wirksamsten Strategien zur Überwindung dieser Akzeptanzprobleme ist die aktive Beteiligung der lokalen Bevölkerung an Windparkprojekten – sowohl in finanzieller als auch in planerischer Hinsicht. Wenn Bürgerinnen und Bürger nicht nur die etwaigen Belastungen eines Windparks tragen, sondern auch von den Erträgen profitieren und bei der Planung mitwirken können, steigt die Akzeptanz deutlich.

Formen der Bürgerbeteiligung im Überblick

Die Möglichkeiten, Bürgerinnen und Bürger an Windenergieprojekten zu beteiligen, sind vielfältig und lassen sich grob in finanzielle und nicht-finanzielle Beteiligungsformen unterteilen.

Finanzielle Beteiligungsmodelle

Bürgerenergiegenossenschaften: Eine der bekanntesten Formen sind Energiegenossenschaften, in denen sich Bürgerinnen und Bürger zusammenschließen, um gemeinsam Windparks zu errichten und zu betreiben. Mitglieder der Genossenschaft können bereits mit kleinen Beträgen Anteile erwerben und so von den Erträgen profitieren. Das demokratische Prinzip "ein Mitglied, eine Stimme" sorgt für eine gleichberechtigte Mitbestimmung unabhängig von der Höhe der Einlage.

Bürgerbeteiligungsfonds: Diese funktionieren ähnlich wie Investmentfonds, sind aber speziell auf die Finanzierung regionaler Windenergieprojekte ausgerichtet. Bürgerinnen und Bürger können Anteile am Fonds erwerben und erhalten eine Rendite entsprechend der Erträge der Windenergieanlagen.

Direktbeteiligung als Kommanditist: Bei diesem Modell werden Windparks oft in Form einer GmbH & Co. KG betrieben. Interessierte können als Kommanditisten mit einer definierten Einlage einsteigen und erhalten entsprechende Gewinnausschüttungen.

Nachrangdarlehen und Anleihen: Hierbei handelt es sich um Darlehen, die Bürgerinnen und Bürger dem Projektträger gewähren. Sie erhalten dafür feste Zinsen, haben aber im Unterschied zu den vorgenannten Modellen kein direktes Mitspracherecht bei der Unternehmensführung.

Vergünstigte Stromtarife: Ein einfaches Modell der indirekten finanziellen Beteiligung ist das Angebot von vergünstigten Stromtarifen für Anwohner im Umkreis von Windparks.

Nicht-finanzielle Beteiligungsformen

Informationsveranstaltungen: Der erste Schritt zur Beteiligung ist eine frühzeitige und umfassende Information der Bevölkerung über geplante Projekte. Transparente Kommunikation ist die Basis für Vertrauen.

Bürgerwerkstätten und Planungsbeteiligung: In moderierten Workshops können Bürgerinnen und Bürger ihre Bedenken, Anregungen und Ideen zur konkreten Ausgestaltung des Windparks einbringen – beispielsweise bezüglich Standortwahl, Anlagenzahl oder Ausgleichsmaßnahmen.

Begleitende Bürgerbeiräte: Solche Gremien können während der gesamten Projektlaufzeit die Interessen der Anwohner vertreten und als Kommunikationsschnittstelle zwischen Betreiber und Bevölkerung dienen.

Erfolgsbeispiele aus der Praxis

In Deutschland gibt es zahlreiche erfolgreiche Beispiele für Bürgerbeteiligung im Bereich der Windenergie. Einige bemerkenswerte Projekte sind:

Bürgerwindpark Grenzstrom Vindtved

An der deutsch-dänischen Grenze in Schleswig-Holstein wurde ein grenzüberschreitender Bürgerwindpark errichtet, an dem sich sowohl deutsche als auch dänische Bürgerinnen und Bürger beteiligen konnten. Über 400 Kommanditisten aus der Region haben sich am Projekt beteiligt. Der Park mit sieben Windkraftanlagen und einer Gesamtleistung von 23 Megawatt versorgt etwa 16.000 Haushalte mit Strom. Das Besondere: Die Mindestbeteiligung lag bei nur 5.000 Euro, was vielen Bürgerinnen und Bürgern den Einstieg ermöglichte.

Energiegenossenschaft Starkenburg eG

Diese Genossenschaft mit Sitz in Heppenheim (Hessen) wurde 2010 gegründet und zählt inzwischen über 1.000 Mitglieder. Neben Photovoltaikanlagen hat die Genossenschaft auch Windenergieprojekte realisiert. Der Mindesteintrag liegt bei nur 100 Euro, und jedes Mitglied hat unabhängig von der Höhe seiner Einlage eine Stimme in der Generalversammlung. Die jährlichen Renditen liegen je nach Projekt und Jahr zwischen 2% und 5%.

Bürgerwindpark Hohenlohe

Im baden-württembergischen Hohenlohekreis wurde ein Windpark errichtet, bei dem sich über 90% der Anteile in Bürgerhand befinden. Das Besondere: Alle Bürgerinnen und Bürger aus den umliegenden Gemeinden erhielten ein bevorzugtes Zeichnungsrecht. Die jährlichen Pachteinnahmen fließen zudem zu einem Großteil in die Gemeindekassen und werden für lokale Projekte verwendet.

Die Vorteile der Bürgerbeteiligung

Die aktive Einbindung der lokalen Bevölkerung in Windparkprojekte bietet vielfältige Vorteile für alle Beteiligten:

Vorteile für die Region und ihre Bewohner

Wirtschaftliche Teilhabe: Durch Bürgerbeteiligung verbleiben die Wertschöpfung und die Gewinne der Windparks größtenteils in der Region, anstatt an externe Investoren abzufließen.

Stärkung der regionalen Identität: Gemeinschaftsprojekte stärken den sozialen Zusammenhalt und das Gefühl, gemeinsam etwas Sinnvolles zu schaffen.

Mitsprache und Gestaltungsmöglichkeiten: Anwohner haben die Möglichkeit, die Energiewende aktiv mitzugestalten und ihre Bedenken direkt einzubringen.

Vorteile für Projektentwickler und Betreiber

Erhöhte Akzeptanz: Durch die frühzeitige Einbindung der Bevölkerung sinkt das Risiko von Konflikten und langwierigen Genehmigungsverfahren.

Lokales Wissen nutzen: Ortsansässige Bürgerinnen und Bürger verfügen oft über wertvolles Wissen über lokale Bedingungen, das in die Planung einfließen kann.

Zusätzliches Kapital: Bürgerfinanzierte Projekte erschließen zusätzliche Finanzierungsquellen und verteilen das finanzielle Risiko auf mehrere Schultern.

Herausforderungen und Lösungsansätze

Trotz der zahlreichen Vorteile stehen Bürgerbeteiligungsprojekte im Bereich Windenergie vor besonderen Herausforderungen:

Komplexität der Projektentwicklung

Windenergieprojekte sind technisch, rechtlich und finanziell komplex. Für viele Bürgerenergiegenossenschaften stellt dies eine große Hürde dar. Erfolgreiche Projekte zeichnen sich daher oft durch die Zusammenarbeit mit erfahrenen Projektentwicklern aus, die das nötige Know-how einbringen, während die Bürgergenossenschaft die lokale Verankerung sicherstellt.

Finanzierungshürden

Die Vorlaufkosten für Windprojekte sind erheblich – Gutachten, Planungsleistungen und behördliche Verfahren kosten oft mehrere hunderttausend Euro, bevor überhaupt klar ist, ob das Projekt genehmigt wird. Hierfür haben sich verschiedene Lösungen etabliert, wie Risikobeteiligungen durch Kommunen, Förderprogramme für Bürgerenergie oder Kooperationen mit etablierten Energieversorgern.

Kommunikation und Erwartungsmanagement

Eine zentrale Herausforderung ist die angemessene Kommunikation mit allen Interessengruppen. Erfolgreiche Projekte setzen auf professionelles Stakeholder-Management, transparente Kommunikation und ein realistisches Erwartungsmanagement bezüglich möglicher Renditen und Zeitpläne.

Rechtliche Rahmenbedingungen in Deutschland

Der rechtliche Rahmen für Bürgerbeteiligung an Windenergieprojekten hat sich in den letzten Jahren mehrfach verändert:

Das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) enthielt in seinen früheren Fassungen durch die garantierte Einspeisevergütung einen starken Anreiz für Bürgerenergieprojekte. Mit der Umstellung auf Ausschreibungen im Jahr 2017 wurden spezielle Regelungen für Bürgerenergiegesellschaften eingeführt, um deren Chancen im Wettbewerb zu verbessern. Allerdings wurden diese Privilegien aufgrund von Fehlanreizen später wieder eingeschränkt.

Das Energiefinanzierungsgesetz aus dem Jahr 2022 sieht vor, dass Betreiber von Windkraftanlagen den Standortgemeinden eine finanzielle Beteiligung anbieten müssen. Die Gemeinden können entweder direkte Zahlungen oder vergünstigte Stromtarife für ihre Bürgerinnen und Bürger wählen.

Auf Länderebene gibt es zudem unterschiedliche Regelungen. So hat Mecklenburg-Vorpommern bereits 2016 ein Bürger- und Gemeindenbeteiligungsgesetz eingeführt, das Projektträger verpflichtet, Anteile an Anwohner und Standortgemeinden anzubieten.

Zukunftsperspektiven: Community Energy als Trend

Der Trend zu lokalen Energiegemeinschaften, oft als "Community Energy" bezeichnet, gewinnt nicht nur in Deutschland, sondern europaweit an Bedeutung. Die EU hat mit der Novellierung der Erneuerbaren-Energien-Richtlinie (RED II) erstmals einen Rechtsrahmen für sogenannte "Erneuerbare-Energien-Gemeinschaften" geschaffen, der in nationales Recht umgesetzt wurde.

Diese Entwicklung könnte Bürgerbeteiligungsprojekten neuen Schwung verleihen. Insbesondere die Kombination aus dezentraler Stromerzeugung durch Windkraft, lokalen Speichern und intelligenten Verteilnetzen ermöglicht es lokalen Gemeinschaften, einen immer größeren Teil ihrer Energieversorgung selbst zu gestalten.

Zukunftsweisend sind auch Modelle, die verschiedene erneuerbare Energieträger kombinieren – etwa Windparks mit Agri-Photovoltaik oder Biomasseanlagen – und so für eine gleichmäßigere Energieerzeugung sorgen.

Fazit: Bürgerbeteiligung als Schlüssel zum Erfolg

Die Erfahrungen der letzten Jahre zeigen deutlich: Windparkprojekte, die von Anfang an auf echte Bürgerbeteiligung setzen – sowohl in finanzieller als auch in planerischer Hinsicht – haben bessere Erfolgsaussichten und stoßen auf deutlich höhere Akzeptanz in der Bevölkerung.

Bürgerbeteiligung ist kein Allheilmittel und bedeutet zunächst einen höheren Kommunikations- und Koordinationsaufwand. Langfristig zahlt sich dieser Aufwand jedoch aus, da Projekte schneller realisiert werden können und nachhaltiger verankert sind.

Für den weiteren Ausbau der Windenergie in Deutschland wird die Bürgerbeteiligung daher ein entscheidender Erfolgsfaktor sein. Sie trägt dazu bei, dass die Energiewende nicht nur eine technologische, sondern auch eine gesellschaftliche Transformation wird, von der möglichst viele Menschen profitieren.